U. Sill: Encounters in Quest of Christian Womanhood

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Titel
Encounters in Quest of Christian Womanhood. The Basel Mission in Pre- and Early Colonial Ghana


Autor(en)
Sill, Ulrike
Reihe
Studies in Christian Mission 39
Erschienen
Leiden 2010: Brill Academic Publishers
Anzahl Seiten
420 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Frank Schubert, Historisches Seminar, Universität Zürich

In der heutigen Welt ist das Christentum nicht typischerweise durch einen Mann aus dem Norden, sondern eher durch eine afrikanische Frau aus dem Süden repräsentiert. Mit dieser Bemerkung beginnt Ulrike Sill die Einleitung ihres Buches «Encounters in Quest of Christian Womanhood», als Doktorarbeit bei Patrick Harries in Basel verfasst, in dem sie die Anfänge dieses globalen Phänomens am Beispiel von Frauen im Umfeld der Basler Mission im 19. Jahrhundert im heutigen Ghana untersuchen möchte. Ziel der Verfasserin ist es, das Engagement von europäischen und afrikanischen Frauen in der Basler Mission aufzuzeigen und ihren Anteil am Aufbau der Basler Missionsgemeinschaften hervorzuheben.

Hierfür beschäftigt sie sich zunächst mit den organisatorischen und konzeptionellen Anfängen der Frauenmission und vergleicht diese mit der Frauenarbeit in anderen, besonders britischen Missionsgesellschaften. Anschliessend beschreibt Sill den sozialen Hintergrund sowohl der beteiligten Europäerinnen – die in grosser Zahl aus dem ländlichen Württemberg kamen – als auch der frühen afrikanischen Aktivistinnen und legt hier die Grundlage für eine Beschreibung eines Zusammentreffens («encounter») zwischen der europäischen Vorstellung einer «christlichen Weiblichkeit» und afrikanischen Konzepten von «womanhood ». Besonders deutlich wird dies anhand der in Kapitel 4 vorgestellten Catherine Mulgrave, Regina Hesse und Rose Ann Miller – drei afrikanische Führungspersönlichkeiten der Frauenarbeit vor Ort und «‘mothers’ to a new and growing Christian community» (S. 148). In den folgenden drei Kapiteln beschreibt Sill vor allem den Aufbau von Mädchenschulen an den Missionsstationen Christiansborg und Akuropon. In den abschliessenden Kapiteln 8 und 9 beschäftigt sie sich mit der Ausweitung der Mädchenbildung in zuerst «Mädchenanstalten» genannten Internaten, mit Kleidung als einem ausgehandelten Ausdruck von «properwomanhood» und mit den Möglichkeiten öffentlicher Rede für Afrikanerinnen in den christlichen Gemeinden.

Schon 1828 begann die Basler Mission ihre Arbeit im Küstenstreifen des heutigen Ghana. In den folgenden Jahrzehnten blieben hier politische und ökonomische Grundfragen noch offen. Der Übergang vom Sklaven- zum legitimen Handel war ein langsamer Prozess, und die Macht der Briten und anderer Europäer ging kaum über die Küste hinaus. Die afrikanischen Gesellschaften im Hinterland, in denen die Basler Mission schon bald Fuss fasste, versuchten ihre Handlungsspielräume zwischen europäischen Einflüssen und der Expansion des mächtigen Königreichs Asante zu wahren. In dieser Situation, in der generell politische Macht und die Zuordnung von Menschen neu verhandelt wurde, waren die Basler Missionare – wie andere Europäer auch – ohne den Schutz und die Machtmittel eines etablierten Kolonialstaates auf Verhandlungen und Kompromisse mit lokalen Autoritäten angewiesen. In dieser historischen Konstellation war das Bestreben der Mission, nicht nur Menschen zum Christentum zu bekehren, sondern auch die Lage der afrikanischen Frauen grundlegend zu verbessern, ja sie regelrecht zu befreien, doch recht ambitioniert. Es sei hier angemerkt, dass diese angebliche Befreiung afrikanischer Frauen durch Europäer(innen) innerhalb und ausserhalb der Mission ein alter, bis heute anhaltender Teil europäischer Allmachtphantasien der Rettung Afrikas ist.

Durch eine Besserstellung der Frauen sollte eine Voraussetzung für die vollständige Modernisierung der Gesellschaft geschaffen werden – und dies, so referiert Sill, sei durch die sozialen Innovationen der Mission erreicht worden. Dabei steht eine auf gender relations bezogene Missionsgeschichte stets vor der Grundfrage, ob die Missionsgemeinschaften eine Besserstellung und eine Zunahme von Möglichkeiten für Frauen bewirkten oder ob sie zu einer Festigung konservativer Werte und zu einer dauerhaften Entmachtung und Domestizierung von Frauen beigetragen haben.

Dies betraf nicht nur afrikanische, sondern auch europäische Frauen in den Missionsgemeinden. So beschreibt Sill, dass Europäerinnen zwar zu aktiven Trägerinnen der Frauen- und Bildungsarbeit der Basler Mission wurden, doch war ihre Professionalisierung und damit einhergehend ihre grössere Selbständigkeit immer auch Gegenstand von Bedenken und Beschränkungen aufseiten der Missionsführung.

Haben Afrikanerinnen im 19. Jahrhundert das Wirken der Mission stets als Befreiung aufgefasst? Daran hat auch Sill Zweifel, denn viele Afrikanerinnen sahen neben der relativen Sicherheit eines Lebens auf den Missionsstationen, den neuen Bildungsangeboten und spirituellen Antworten auch eine Begrenzung ihrer Handlungsspielräume durch die Mission mit ihrem christlichen Familienbild und dem Ideal der weiblichen Häuslichkeit. In den vorkolonialen Gesellschaften Westafrikas besassen Frauen mitunter grössere ökonomische Selbständigkeit und politische Aktionsfreiheit als Frauen im Europa des 19. Jahrhunderts. So waren lokale Faktoren entscheidend bei der Frage, ob sich Afrikanerinnen den Missionsgemeinden anschlossen oder nicht.

In der Mission verliefen Aushandlungen über den Platz der Frauen häufig entlang der vermeintlichen Grenze von öffentlicher und privater Sphäre. Sill verdeutlicht dies unter anderem an der Zuschreibung einer «geistigen Mütterlichkeit» für Lehrerinnen. Weniger überzeugend ist die von Sill immer wieder beschworene Trennung von «Moderne» und «Tradition», etwa bei der Unterscheidung von Christiansborg, wo sich angeblich schon Mitte des 19. Jahrhunderts eine moderne Elite herausbildete, und Akuropon, wo Politik und Gesellschaft vollkommen traditionell organisiert gewesen sein sollen.

Dennoch basiert «Encounters in Quest of Christian Womanhood» auf einer profunden Kenntnis der Geschichte der Basler Mission und einer guten Einbindung in die Geschichte Ghanas. Es ist ein wichtiges, quellengesättigtes Buch zur Geschichte der Basler Mission und des vorkolonialen Christentums im heutigen Ghana.

Zitierweise:
Frank Schubert: Rezension zu: Ulrike Sill: Encounters in Quest of Christian Womanhood. The Basel Mission in Pre- and Early Colonial Ghana. Leiden, Brill, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 63 Nr. 2, 2013, S. 298-299.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 63 Nr. 2, 2013, S. 298-299.

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